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Rebell aus Liebe

Erste 5 Seiten – Kostenlose Vorschau

Ein Drache. Ein Einhorn. Eine Liebe gegen die Tyrannei.

Bleuel, ein blauer Drache, hat den Mut verloren. Verletzt und gezeichnet von der Herrschaft des Roten Königs, versteckt er sich in seiner Höhle – bis er Rosa begegnet, einem Einhorn, das aus Gefangenschaft geflohen ist. Was als Begegnung zweier Fabelwesen im Mondlicht beginnt, wird zur Hoffnung für ein ganzes Reich.

Gemeinsam mit Rebellen stellen sie sich der Brutalität der roten Drachen, wagen den Aufstand – und finden dabei mehr als nur Freiheit: Sie finden Vertrauen, Freundschaft und eine Liebe, die Grenzen zwischen Arten überwindet.

Ein episches Märchen voller Magie, Abenteuer und Gefühl – über den Mut, sich zu erheben, und die Kraft, die entsteht, wenn zwei Welten eins werden.

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Bleuel drehte sich mehrfach im Kreis, bis er bequem lag. Er wollte wieder einschlafen. Der helle Fleck vor seiner Schnauze an der Höhlenwand zeigte ihm, dass es draußen noch hell sein musste.
Er fragte sich, warum er schon aufgewacht war. Im Laufe der Jahre hatte er seinen Schlafrhythmus so angepasst, dass er erst nach Sonnenuntergang erwachte. Er hob den Kopf und schaute auf die kleine Öffnung oben in der Decke, durch die der Sonnenschein an die Höhlenwand fiel. Es waren mindestens noch zwei Zeiteinheiten, bis die Sonne unterging. Die konnte er noch gemütlich verschlafen.
Ein Geräusch ließ ihn aufschrecken. Das leise »Flapp-Flapp« von Drachenflügeln. Das war es wohl auch, was ihn aufgeweckt hatte. Was sollte das bedeuten? War man ihm auf die Spur gekommen?
Leise erhob sich der Drache auf seine vier Beine und schlich zum Höhleneingang. Ein Blick durch das Spähloch zeigte ihm, dass über dem kleinen Wäldchen jenseits des Baches drei rote Wachdrachen kreisten. Sie schienen etwas zu suchen, konnten aber offenbar die Baumwipfel nicht mit ihren Blicken durchdringen. Sie erschienen ihm eher unerfahren, kleiner als er selbst. Wenn einer der alten Feuerspucker dabei gewesen wäre, dann hätte der vielleicht den ganzen Wald abgefackelt. Die drei aber waren dazu wohl weder in der Lage, noch wären sie entschlossen genug gewesen.
Bleuel beobachtete sie, bis die Sonne sich hinter die Hügel senkte und die drei Wächter ihre Suche aufgaben und davonflogen. Dann schob er vorsichtig die kunstvolle Schiefertür zur Seite und sich selbst durch den schmalen Eingang der Höhle, brachte die Steinplatte wieder davor an, sodass niemand mehr das Loch erkennen konnte, und lief leise den gewundenen Weg entlang, der ihn durch das tarnende Gehölz und Gebüsch führte. Es hatte ihn einige Mühen und viel Zeit gekostet, seine Höhle so zu verbergen, dass sie weder von oben noch von vorne zu entdecken war.
Auch wenn er voller Spannung und Neugier war, würde er nichts riskieren, indem er durch das Gehölz brach. Die Zeit, seinem labyrinthischen Pfad zu folgen, musste er sich nehmen.

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Auf der freien Steppe angekommen, breitete er die Flügel aus und flog Richtung Wald.
 
Sie waren ihr auf der Spur gewesen und hätten sie beinahe erwischt. Zunächst jedoch war sie in Sicherheit. Morgen aber würden sie wahrscheinlich mit Verstärkung wiederkommen, das Wäldchen einkreisen und vielleicht sogar niederbrennen. Rosa hatte gesehen, was die großen roten Drachen anrichten konnten. Gegen deren Feuerlohe hatte sie keine Chance, und auch dieser grüne Wald würde den Flammen nicht lange widerstehen, trotz seiner kraftstrotzenden Bäume und des Bachlaufs, der durch ihn hindurchführte. Sie würde weiter fliehen müssen.
Zunächst aber musste sie sich ausruhen; sie war den ganzen Tag gelaufen. Als Wesen des Waldes, der grünen Ebenen und bunten Blumen-wiesen war sie das langsame Streifen durch die Landschaft gewohnt; sie war kein Rennpferd, wie es die Menschen züchteten. Und ihre Gefangenschaft hatte sie geschwächt. Immerhin hatte sie in den drei Tagen seit ihrer Befreiung genug Futter gefunden. Die Hochebene voll wunderbaren Grases, durch die sie zuletzt gelaufen war, stand voller herrlicher Blumen; immer wieder hatte sie sich zwingen müssen, weiterzulaufen.
Sie war sich sicher, dass man sie verfolgen würde. Dennoch war sie erschrocken, als sie am späten Vormittag in der Ferne die drei roten Punkte am Himmel ausgemacht hatte. Die Augen der Drachen waren mindestens so gut wie ihre, aber vielleicht hatte sie Glück und die roten, gelben und weißen Blüten würden sie eine Zeitlang vor der Entdeckung verbergen, da ihre Farben damit vielleicht verschwimmen würden.
Sie rannte weiter, und am Nachmittag musste sie sich eingestehen, dass die Wächter sie wohl entdeckt hatten. Zu zielstrebig hielten sie ihren Kurs. Sie kamen näher und näher. Als das Wäldchen vor ihr auftauchte, mobilisierte Rosa ihre letzten Kräfte und schaffte es gerade so unter die ersten Bäume, ehe die Drachen in Reichweite kamen. Sie spürte noch den Luftzug der Flügel des Anführers, als dieser nach ihr greifen wollte, aber da war sie schon unter den niedrigen Ästen verschwunden. Die Drachen waren zu groß, um ihr zu folgen, anscheinend aber auch zu klein und unerfahren, um einfach durch die Bäume zu brechen, wie es einer der großen Wachdrachen oder gar der König getan hätte.

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Rosa lief weiter, bis sie einen Bach erreichte, der glucksend seinen Pfad durch den Wald nahm. Sie fand eine kleine Lichtung, auf der sie es sich bequem machte; endlich konnte sie sich ausruhen. Während sie immer mal wieder an dem köstlichen Gras zupfte und ab und an einen Schluck des süßen Wassers nahm, beobachtete sie durch die Wipfel der Bäume, die ihr einen Blick nach oben erlaubten, sie aber gut genug vor den Augen der Drachen verbargen, wie diese ihre Kreise über dem Wäldchen drehten, schließlich aufgaben und davonflogen. Müde legte Rosa sich auf die Seite. Sie würde ein wenig schlafen und dann, wenn der Mond aufgegangen sein würde, weiter fliehen.
 
Bleuel hatte die Flügel angelegt und schlich entlang des Bachs hinein in das Innere des Waldes. Er wollte wissen, was seine Feinde dort gesucht hatten. Seine Nachtsichtigkeit war gut ausgeprägt; im hellen Licht des Vollmondes konnte er die Umgebung fast so gut erkennen wie am Tag. Vorsichtig näherte er sich der kleinen Lichtung im Zentrum des Waldes. Noch ehe er sie erreicht hatte, zog ihm ein süßer Duft in die Nüstern. Leicht, dezent, wie Blumenduft, aber so fein und … elegant – ein anderes Wort fiel ihm dafür nicht ein –, wie es selbst der Duft der schönsten Rosen nicht war. Er hielt inne, dann schob er sich ganz langsam und vorsichtig voran. Als er auf die Lichtung schaute, entfuhr ihm ein ungläubiges Schnauben: Dort lag im hellen Mondenschein ein Fabelwesen.
 
Rosa fuhr empor und war auf den Beinen, ehe sie bewusst registrierte, was sie geweckt hatte: eine Art Schnauben, aber tiefer und lauter, als es jeder Hengst hätte ausstoßen können. Und dann erstarrte sie: Vor ihr, nur wenige Hornlängen entfernt, stand ein Drache.
 

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Bleuel fuhr zurück, als das Tier vor ihm blitzschnell aufsprang und ihm ein langes weißes Horn entgegenstreckte. Einen Moment nahm er sich Zeit, das Wesen genauer zu betrachten. Es war eine Art Pferd, groß und elegant, am ganzen Körper schneeweiß, aber der lange dicke Schweif war rostrot, ebenso die ausgeprägte Mähne. Offensichtlich war es eine Stute, ebenso offensichtlich aber kein normales Pferd. Pferde kannte Bleuel, sie liefen frei auf der Ebene umher und wurden von ihm ebenso gejagt wie Rehe, Schafe und Gämsen auf der Hochebene und in den Bergen. Aber dies hier war etwas anderes.
Auf der Stirn, über den leuchtend blauen Augen, ragte ein Horn hervor, an der Basis etwas breiter als die Augen des Tieres, dann sich stetig verjüngend, dabei die Farbe vom Schneeweiß immer mehr verlierend, bis die Spitze nahezu unsichtbar kristallklar im Mondlicht schimmerte. Doch so bedrohlich dieses Horn und seine Trägerin auch wirkten: Unter dem eleganten Duft, der ihn so fasziniert hatte, konnte Bleuel den Geruch von Angst wahrnehmen, und nun fiel ihm auf, dass das Einhorn – es musste eines sein! – sehr dünn war, er konnte die Rippen erkennen.
 
Rosa schnaubte und stieß ihr Horn in Richtung des Drachen. Hatte man sie doch erwischt! Aber sie würde sich nicht kampflos ergeben! Doch zu ihrem Erstaunen wich der Drache einen Schritt zurück und ließ den Kopf sinken. Als er das Maul öffnete, entfuhr diesem kein Feuerstoß.
»Ein Einhorn! Und ich dachte, ihr seid nur Wesen aus Legenden und Fabeln!«
Erst jetzt fiel Rosa auf, dass dieser Drache nicht rot war. Die Schuppen an seinem Leib glänzten im Mondlicht blau, und seine Flügel leuchteten irisierend in den Farben des Regenbogens wie die der schönsten Schmetterlinge. Langsam senkte sie ihr Horn und antwortete: »Wenn der König so weitermacht, werden wir es bald auch sein.«

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Der Drache schnaubte. »Seine Wächter haben dich gejagt. Insofern sind wir Verbündete, denn deine Feinde sind auch meine Feinde. Folge mir, ich bringe dich in Sicherheit.« Er drehte sich elegant auf der Lichtung um; Rosa erkannte, dass sein Körper nicht viel größer war als ihrer, nur wegen des langen Schwanzes und der angelegten Flügel so wirkte. Sie überlegte einen Moment, dann schritt sie hinter ihm her.
Erst als sie durch den gewundenen Gang und die gut verborgene Schiefertür in der Höhle angelangt waren, brach der Drache sein Schweigen. Während er sich in der einen Hälfte niederlegte, den Schwanz um seine Hinterbeine gerollt, sagte er: »Ich bin Bleuel, ein Feind des Königs. Das letzte Mal, als ich von Einhörnern hörte, war ich ein junger Kinderdrache, dem seine Großmutter Märchen erzählte. Und nun bist du hier! Ich bin gespannt auf deine Geschichte.«
Er stieß einen Feuerstoß aus und ließ ihn durch die Höhle wandern, sodass in mehreren Felsvertiefungen das Öl, mit denen sie gefüllt waren, zu brennen begann und ein sanftes Licht spendete.
Rosa ließ ihn nicht aus den Augen, während sie sich einen bequemen Standplatz suchte. Dann begann sie: »Ich heiße Rosa.« Als sie seine erstaunte Kopfbewegung wahrnahm, wieherte sie kurz.
»Ja, ich weiß, mein Name sorgt immer wieder für Erstaunen. Aber als ich geboren wurde, war ich rosa am ganzen Leib, und das blieb ich, solange ich ein Fohlen war. Erst als ich erwachsen wurde und mein Horn zu wachsen begann, verteilten sich die Farben auf meinem Körper. Mein Name aber ist mir geblieben.«
Sie machte eine kurze Pause, dann fuhr sie ernst fort: »Wir sind Flüchtlinge in eurem Land, geflohen aus der Welt der Menschen. Und nun gefangen und vom Aussterben bedroht in eurer Welt der Tyrannei, mit der wir nie gerechnet hätten.«

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